Vier typische Dackel-Alleinbleibe-Typen

„Ein Hund, ein Dackel! Ist der süüüüß! Dann bin ich nie mehr alleine!“

Eine nachvollziehbare Überlegung.
Hunde (und hier natürlich vor allem Dackel) sind tolle Begleiter auf dem gemeinsamen Lebensweg. Sie sind treu, unvoreingenommen und ehrlich.
Wie so vieles im Leben ist diese Sichtweise unter Umständen ein wenig einseitig. Auch für den enthusiastischsten Hundehalter wird es Situationen geben, in denen Hund nicht mitkann oder -soll. Und wenn es nur der Gang aufs stille Örtchen oder der kurze Sprung in den Supermarkt ist.

Foto: Monique Pangowski

Was tun mit dem Hund? Kein Problem, er bleibt halt kurz alleine. Eine aus menschlicher Sicht völlig problemlose Situation, die dem Vierbeiner oft umständlich und selbstverständlich mit einem Wortschwall erklärt wird: Auch bei dem Satz: „Ich geh kurz duschen, bin gleich wieder da“ verschwindet in Hundesicht der menschliche Mitbewohner hinter einer geschlossenen Tür. Er ist weg. Und auch wenn Mensch es dem Hund ja erklärt hat: Für den Hund, für den die menschliche Sprache im Allgemeinen lediglich ein sinnfreies Aneinanderreihen von willkürlichen Geräuschen bedeutet, gar nicht so einfach zu verstehen. Dackel gehen noch einen Schritt weiter: das Zweibein hat offenbar eine Mittelung zu machen – unter Hundegesichtspunkten zum Einen aber auf eine völlig unverständliche Art und zum Anderen mit einem offenbar schlechten menschlichen Gewissen. Erhöhte Aufmerksamkeit des Dackels scheint erforderlich, weil Mensch mal wieder mit dem Leben nicht klar zu kommen scheint. Und dann auch noch das Geräusch fließenden Wassers – der Mensch muss offenbar leiden und duschen – auch wenn Hund offenbar leider nicht mitbekommen hat, in welcher interessanten Duftnote sich der Zweibeiner wohl gewälzt hat.

Plötzlich ist der Mensch, der selbsternannte und in Dackelaugen inoffizielle Chef des Rudels, verschwunden. Der Hund wurde offensichtlich verlassen. Zeitempfinden ist sehr relativ – jeder, der schon einmal festgestellt hat, wie unterschiedlich sich eine fest definierte Zeitspanne anfühlen kann, kann dies nachvollziehen.

Hunde beurteilen Zeit selbstverständlich nur subjektiv. Es gibt gewisse Rahmenbedingungen, an denen sie sich orientieren: dunkel = Nacht = Schlafenszeit; morgens = Mensch steht auf = gleich gibts Frühstück. Ich persönlich kenne keinen Hund, der sich an dem Zeiger einer Uhr orientiert – und ich glaube nicht, dass irgendeiner meiner Hunde jemals verstanden hat, wenn ich mitteilte, dass ich „nur ganz kurz mal weg bin“.

Nun, der Chef ist verschwunden; ob im Bad oder zum Einkaufen oder zur Arbeit – weg ist weg. Hund bleibt alleine zurück. Woher soll er wissen, dass der Mensch gleich/bald/überhaupt wiederkommt?
Und wie muss sich der Dackel fühlen, wenn der sonst immer funktionierende Dackelblick nichts bewirkt (weil niemand da ist, der ihn zur Kenntnis nimmt…)?

Nur durch Erfahrung. Erfahrung lässt sich nur am eigenen Körper spüren – nicht durch leere Worte erklären. Der Hund muss lernen, dass der Chef zwar einfach verschwindet – aber zurückkehrt und das Leben weitergeht. Übrigens: je nach Hund eine langwierige Geschichte, die Anzahl der nötigen Wiederholungen zur Verdeutlichung (Mensch kommt wieder!) sollte nicht unterschätzt werden…

Für einen jungen oder im Zusammenleben mit Zweibeinern unerfahrenen Hund eine einschneidende Erkenntnis! Es gibt viele Ansätze, mit einem Hund das Alleinbleiben zu üben. Es gibt auch im www viele Anleitungen, Hinweise und Tipps. DIE Methode, um den Hund die zeitweise Abwesenheit des Menschen zu erklären und nahezubringen, gibt es nicht – es gibt ja auch nicht DEN Hund. Oftmals hilft es meiner Meinung nach schon, sich die Sorgen und Nöte eines „verlassenen“ Hundes vor die menschlichen Augen zu führen – und auch die menschliche Reaktion auf die Verlustängste. Es wird daher hier keine allgemeingültige „Gebrauchs- oder Trainingsanweisung“ geben. Aber vielleicht erkennt Ihr Euren Hund (und/oder Euer Verhalten) in den folgenden vier grundsätzlichen Dackel-Typen wieder – und bekommt eine Idee davon, was Ihr üben/ändern/verinnerlichen könntet.

Auch hier gilt: Jeder Jeck ist anders. Ich kenne viele Dackel – daher kommt hier eine Aufstellung der mir geläufigsten vier Dackel-Alleinbleibe-Typen:

Der Pflichtbewusste

Der Dackel ist der unangefochtene Chef im Haus. Ob der Mensch nun anwesend ist oder nicht: Der Hund bestimmt, wer wann wo sitzen darf, wann, wie lange und mit welchem Spielzeug gespielt wird und selbstverständlich auch die Länge und Richtung des Spaziergangs. Dieser Dackeltyp ist selbstverständlich der Meinung, dass die Menschen ohne den mitdenkenden Dackel nur sehr eingeschränkt überlebensfähig wären. Verlässt nun der Zweibeiner das heimische Revier (bzw. den direkten Einfluss- oder Sichtbereich des Dackels), wird der selbstsichere Dackel natürlich zunächst in allen erreichbaren (und auch in den angeblich hundesicheren) Räumen nach dem Rechten sehen. Herumliegende, potentiell bedrohliche Dinge werden sicherheitshalber gefressen oder zerstört. Der guten Ordnung halber wird auch in nicht dackelsicher verschlossenen Schränken nach möglichen Gefahren gesucht und bei der Gelegenheit auch gleich eine in Dackelaugen sinnvollere Anordnung hergestellt (warum sollten z.B. Schuhe auf einem Ständer paarweise angeordnet sein? Nach Geruch, Geschmacksrichtung und Erreichbarkeit für Dackelzähne ist natürlich wesentlich sinniger.).

Der selbstsichere Dackel ist sich seiner Verantwortung für den Menschen stets bewusst. Da er nicht wissen kann, wie lange sich der Mensch aus der dackeligen Geborgenheit der heimischen vier Wände entfernt hat, muss das Krummbein natürlich ein hohes Arbeitspensum in kurzer Zeit schaffen, damit noch Zeit für den dann wohlverdienten Schönheitsschlaf bleibt. Daher ist der pflichtbewusste Dackel sehr organisiert und in der Lage, in kurzer Zeit seine selbst gestellten Anforderungen zu erfüllen.

Überraschte Äußerungen des heimkehrenden Menschen sind selbstverständlich nicht ernst zu nehmen, Erziehung lebt von Konsequenz und Wiederholungen. Irgendwann wird der Zweibeiner die unermüdliche und aufopferungsvolle Leistung des Hundes anerkennen, dessen ist sich der selbstbewusste Dackel sicher.

Der Beleidigte

Ohne Publikum und entsprechende Aufmerksamkeit machen dem Dackel seine Aktivitäten keine große Freude. Verlässt ihn der Mensch willkürlich, ohne ausdrückliche Erlaubnis und vor allem ohne dackelgewollten Grund, sieht der leicht beleidigte Dackel dies selbstverständlich als unmittelbar auf den Hund gemünzte Zurückweisung an.
Da niemand mehr in der Nähe ist, der die nun sofort eintretende schlechte Laune des Dackels durch wilde Spiele, ausgiebige Streicheleinheiten oder Futterzuwendungen kompensieren kann, sorgt der kluge Hund dafür, dass der heimkehrende Mensch ihm dann eben später erhöhte und uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmen wird. Dackel sind schlau. Sie wissen sehr genau, an welchen Einrichtungsgegenständen oder Kleidungsstücken das Herz der menschlichen Dosenöffner besonders hängt. Auch die vom Menschen priorisierte Ordnung in den Räumen ist dem Dackel bekannt. Wohlgemerkt, es geht bei diesem Typ Hund nicht um Handlungen aus Langeweile – der Dackel setzt ein deutliches Zeichen seines Unmutes. Ein Häufchen im Flur und der damit verbundene Geruch wird den Menschen bei seiner Rückkehr direkt und unmissverständlich klar machen, dass die hundungewollte Vernachlässigung nicht zur guten Laune des Dackels beigetragen hat. Der sorgsam im Wohnzimmer verteilte Inhalt des eigentlich hundesicheren Mülleimers zeigt dem Menschen deutlich, dass Dackel wegen der plötzlich eintretenden und vermutlich lebensbedrohenden Nahrungsknappheit auch die unmöglichsten Nahrungsquellen durchsuchen musste.
Selbstverständlich wird der Mensch bei seiner unerwarteten Rückkehr auch nicht begrüßt. Der Dackel hat sich ja bereits zum vermutlichen langsamen und grausamen, allein menschenverschuldeten Tod durch Verhungern und Einsamkeit in das Bett des Menschen zurückgezogen, um wenigstens noch den Geruch des ursprünglich mal geliebten Zweibeiners um sich zu haben. Selbstverständlich zusätzlich noch mit dem erreichbaren Inhalt des Kleiderschranks.
Der Mensch wird mit Nichtachtung gestraft, ein strafender Tonfall oder gar eine tatsächliche Zurechtweisung des untreuen Menschen kommt beim beleidigten Dackel, der nun stolz auf den gewonnenen Überlebenskampf ist, nicht an. Erst erhöhte Zuwendung und Futtergabe können den beleidigten Dackel eventuell wieder dazu bringen, sich dem Menschen vielleicht doch noch einmal wohlwollend zuzuwenden. Bis zur nächsten dackelungewollten Abwesenheit des Menschen. Da sind Dackel sehr konsequent und sind immer „einmal mehr beleidigt“.

Der Verzweifelte

Ein Dackel ist ein Alphatier und Rudelführer – braucht aber oft sein Gefolge, um sich in seinen Handlungen bestätigen und feiern zu lassen. Wird er nun plötzlich ganz allein gelassen, bricht für den Dackel seine heile Welt zusammen. Die Folge sind Übersprungsreaktionen. Daher sieht sich der verlassene Dackel geradezu gezwungen, nun die erinnerungsträchtigen Dinge zu zerstören, die der Mensch ja wahrscheinlich nicht mehr braucht, da er eh nie wieder zurückkehren wird. Nichts soll an das schöne Leben mit dem Rudel erinnern. Selbstverständlich wird der Kummer über den Verlust auch lauthals der ganzen Welt da draußen mitgeteilt. Wohnungs- und Haustüren stellen schließlich selbst für erfinderische Dackel oft eine unüberwindbare Barriere dar. Der Dackel ist allein – und wird vermutlich innerhalb der nächsten halben Stunde eines grausamen Hungertodes sterben, einsam, allein und verlassen. Verzweifelt angekaute Tischbeine, Decken und zurückgelassene Kleidungsstücke stillen den Hunger nicht, aber sind ein Ventil für die übermächtigen Verlustgefühle des kleinen, traurigen Hundes mit den hängenden Ohren, die sich vermutlich niemals mehr freudig lauschend aufstellen werden. Der Dackel ist allein und verlassen – eingesperrt in den vier Wänden, die noch vor zehn Minuten ein wundervolles Heim mit aufmerksamen und gehorsamen Menschen waren. Der wundervolle Garten – wegen verschlossener Terrassentüren zwar noch sichtbar, aber nicht erreichbar und innerhalb kürzester Zeit von eigentlich zu vertreibenden, aber nun unerreichbaren Vögeln und Katzen vor den hilflosen Augen des Dackels übervölkert. Der sonst immer für Leckerchen und Kuscheleinheiten erreichbare Mensch: weg. Die Nahrungsmittelversorgung: abgerissen. Ein äußerst trostloses Szenario für den armen Dackel.

Kehrt der Mensch überraschenderweise dann doch wieder zurück, kann der eben noch verzweifelte Dackel sein Glück kaum fassen. Er hat überlebt, der Mensch (und der Dackel auch). Ein strafender Ton oder der überraschte Ausruf  „Wie sieht es denn hier aus…?“ wird vom Krummbein als unbändige Wiedersehensfreude ausgelegt und damit natürlich nicht weiter ernst genommen. Der Mensch ist wieder da, die Welt dreht sich weiter, der schon fast bevorstehende Hungertod in der Einsamkeit wurde erfolgreich abgewendet. Nie wieder möchte der Dackel dieses Gefühlsdesaster erleben. Der Mensch – offenbar ebenfalls im Gefühlschaos – freut sich gleichzeitig über die unbändige Wiedersehensfreude und schimpft über die zerstörten Dinge – und kann dem treuen Dackelblick nicht widerstehen.

Er sieht die Qualen, die der Dackel durchlebt hat, nicht.

Der Entspannte

Endlich wieder Montag, acht Uhr morgens. So ein Wochenende mit einer dauernden Anwesenheit des gesamten Rudels kann selbst für einen gesellschaftsliebenden Hund wie den Dackel auch anstrengend sein.
Nach einer ausgiebigen Morgenrunde mit Zeitunglesen an den bevorzugten Pinkelecken und einem köstlichen Frühstück sind die Kinder nun endlich in der Schule und der Rest des Rudels zu wichtigen, wenn auch in Dackelaugen langweiligen Verrichtungen aus dem Haus. Der sonst so verantwortungsbewusste Dackel hat nun endlich Zeit, sich in völliger Ruhe für ein entspanntes Nickerchen in das kuschelige, noch angewärmte, frisch gemachte Menschenbett zurück zu ziehen. Ohne den oftmals anstrengenden Kampf um Decken, den gemütlichsten Platz und ohne die doch manchmal eher störenden Menschen mit den kalten Füßen. Vielleicht kommt später sogar noch die Sonne heraus und wärmt den angeschlafenen Dackel auf dem Lieblingsplatz vor dem Fenster. Hund kann sich völlig entspannen und muss nicht ständig mit einem Langohr auf seine Menschen aufpassen. Die kommen schon noch früh genug zurück – so lange tankt der Dackel Kraft, um den anschließenden Herausforderungen und Staubsaugereigenschaften wieder uneingeschränkt gewachsen zu sein.

Der entspannte Dackel nutzt jede noch so kurze Abwesenheit der sonst gern gesehenen Menschen für ein entspanntes Schläfchen. Die Rückkehr derselben nimmt der Hund natürlich rechtzeitig war, erkennt das menschliche Auto, das Geräusch des Schlüssels oder das Klackern der Schuhe auf dem Gehweg. So bleibt dem relaxten Hund noch genug Zeit, sich ausgiebig zu recken und zu strecken, bevor der Mensch – je nach Länge der Abwesenheit und der dadurch bestimmten Dauer der wohligen Ruhe mehr oder weniger verschlafen freudig begrüßt wird. Je nach dackelgefühlter Abwesenheitsdauer des Menschen wird nun Spiel, Spaziergang oder Futter erwartet. Ein „gleich, ich muss erst noch schnell…“ wird selbstverständlich je nach Dringlichkeit der Hundebedürfnisse nicht akzeptiert und mit einer entsprechenden Dackelreaktion gewürdigt. Je nach Charakter des Dackels mit Unmut, beleidigtem Zurückziehen oder auch einer aus Dackelsicht völlig gerechtfertigten „Bestrafung“ des Menschen, einem Häufchen im Hausflur. Entspannt bedeutet schließlich nicht „willenlos“.Dackel wären keine Dackel, wenn sie sich so einfach in menschendefinierte Schemata pressen ließen. Und auch wenn ein Typ bei Eurem Dackel dominiert – ein bisschen was von allen Typen ist wohl in allen Hunden enthalten. Ob der Hund wirklich entspannt oder einfach nur resigniert ist, ob er übermütig, lustig oder rebellisch ist… Die Akzeptanz oder die Wahrnehmung eines Hundes kann sich mit der Zeit ändern – wer heute noch nervös war, kann morgen entspannt sein und die Ruhe des Alleinseins genießen; wer heute noch die Amsel gejagt hat, kann morgen begriffen haben, dass sie eh wegfliegen wird und spart sich die Energie. Und vielleicht liegt die zerstörerische Rebellion nicht im“Alleinsein“ sondern in einer mangelnden Ausgelastetheit begründet…

Foto: Andrea Methfessel

Wer seinen Hund als instinkgesteuertes Tier (und selbst ein Dackel ist und bleibt ein solches!) wahrnimmt, respektiert und auch als Solches behandelt, wird auch ohne Überwachungskameras die Hundestimmungen wahrnehmen. Und kann durch Üben und Vertrauen nur gewinnen. Hilfe bekommt jeder, der sie sucht, z.B. in Hundeschulen und bei Hundeverstehern. Ich selbst bin ein vermutlich unverbesserlicher „Hundevermenschlicher“. Allerdings hatte ich auch bisher immer mit sehr menschlichen Dackeln zu tun, deren Reaktionen für mich ohne größere Schwierigkeiten nachvollziehbar waren.
Ein Patentrezept gibt es nicht.

Einfach kann ja jeder. Ihr wolltet einen Dackel.

Ein Dackel ist kein Auto, das man nach einem erfolgreichem Tuning bis zur nächsten Tour oder zur nächsten Challenge in die Garage stellt. Ein Hund entwickelt sich und wird Euch Eure Fehler immer wieder gnadenlos vor Augen führen. Am liebsten dann, wenn es gerade so gar nicht passt.

Foto: Carla Reicherter

Zum Glück. Das macht das Leben mit einem Dackel (mit Hunden an sich!) so spannend und erfüllend. Wer mit einem Dackel zusammenwohnt, hat einen intelligenten und herausfordernden Partner an seiner Seite. Immer.

 

 

 

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