Mein Lieblingsthema: die durchdachte und erfolgreiche Erziehung des Personals

Motte hat ein Handicap. Laufen ist nicht mehr ohne Einschränkung möglich. Geistig ist dieser Hund aber mehr als fit – wie sie mir immer wieder beweist.
Eine aktuelle Erfahrung von gestern hat mir deutlich vor Augen geführt, dass Motte mit der Erziehung meiner Kinder schon ziemlich fortgeschritten ist. Reflektiert (und aus der Beobachtung heraus) kann ich sagen, dass Motte´s Erziehung ihrer Menschen bestimmten Schemata folgt (und sie damit sehr erfolgreich ist):

Aufgewärmt vom nachmittäglichen Spaziergang fordert sie nachdrücklich den Sohn des Hauses zum wilden Spiel auf: der Lieblingsball* wird gebracht. Wenn darauf alleine keine unmittelbare und erwünschte Reaktion erfolgt, wird eben dieser Ball (oder, für die menschlichen Füße wesentlich unangenehmer: der Hartgummi-Kong* „aus Versehen“ mit ordentlichem Schwung auf die Teenagerfüße „fallen gelassen“. Die menschliche Nr. 2 in der angeblichen, dem Dackel vorgegaukelten Rangordnung antwortet prompt, allerdings nur mit dem Wort „gleich“, da er der irrigen Meinung ist, dass die Nachrichten auf seinem Handy wichtiger als ein zum Spielen aufgelegter Dackel seien. „Gleich“ oder „Moment noch“ sind Worte, die im Dackelvokabular eine völlig andere Bedeutung haben als im menschlichen. Oft führt das zu Missverständnissen, denn im dackeligen Selbstverständnis sind diese Worte natürlich gleichbedeutend mit „sofort“ oder „auf der Stelle“, also die Ankündigung zu einer unmittelbaren Aktion. Eine Verzögerung kann und wird der Dackel, um seinen Erziehungserfolg nicht zu gefährden, natürlich nicht tolerieren.

Also wird in Folge zunächst die Dackelnase sanft, aber nachdrücklich gegen das Bein des offenbar noch nicht vollends überzeugten, aber momentan erwünschten Bespaßers gedrückt. Führt dies überraschend auch nicht zum Erfolg, folgt ein leises, aufforderndes Bellen  (leise deshalb, um nicht vom menschlichen, obersten Chef für den Lärm gerügt zu werden). Spätestens jetzt gibt der Nachwuchs-Hunde-Entertainer erfahrungsgemäß nach und wirft den Ball an das andere Ende des Zimmers. Motte erkennt mit geübtem Blick natürlich sofort, dass der junge Mensch nicht mit dem Herzen bei der Sache ist und weiß, dass sie diese mangelnde Aufmerksamkeit und den fehlenden Enthusiasmus nicht ungestraft durchgehen lassen darf. Zumal die Reaktionszeit von der ursprünglichen Aufforderung bis zur erwarteten Reaktion in Mottenaugen zu lang war.

Also greift unser Dackel tief in die Erziehungskiste.

Zur Erinnerung: der Ball wurde nun endlich geworfen. Der Dackel an sich (und Motte besonders) hat einen ausgeprägten Jagdtrieb; aus der allgemeinen, menschlichen Erfahrung (im Freien) heraus sollte der Hund nun dem Ball erleichtert und erfreut folgen. Dennoch bleibt der kleine Hund neben seinem noch auszubauenden Menschen sitzen und fordert statt dessen diesen, unterstützt von einem freundlichen leisen Bellen, auf, nun den Ball auch wieder zu holen.

Und versteht weder den ungläubigen und leicht entrüsteten Blick des zu erziehenden Menschen noch das Kichern des beobachtenden, menschlichen Familien-Oberhauptes, das aus der Entfernung in die Dackelohren klingt. Natürlich reagiert der junge Mensch – wenn auch mit deutlicher Verzögerung und ohne echte Spielfreude – nun endlich. Er holt den Ball – leicht zähneknirschend – und gibt ihn dem Motten-Dackel zurück. Der Mensch spielt Ball. Endlich.

Und der kluge Dackel erkennt: hier wartet noch viel (Erziehungs-) Arbeit. Motte lässt – nach der sofortigen Belohnung des Nachwuchs-Spielers durch erkennbare Freude und Händeabschlecken – dem jungen Partner eine kurze Zeitphase zur Verinnerlichung des soeben Gelernten. Und startet dann erneut. Denn der Lernerfolg war zwar in den Grundzügen erkennbar, aber noch nicht der dackelgewünschte.


Ich, als Mutter von zwei Teenagern, kann hier viel von dem besten Hund der Welt lernen. Und muss dringend an meinem Dackelblick  in Kombination mit hängenden Ohren arbeiten. Denn die Folge dieser Erziehungs-Episode ist unglaublich: der soeben noch mit anderen Dingen beschäftigte Teenager kümmert sich nun mit voller Aufmerksamkeit um seinen Hund. Das Handy wird zur Nebensache, der Ball wird geworfen und auf Aufforderung der Dackeldame (und nach bestätigender Rückfrage beim immer noch kichernden menschlichen Chef) sogar mit Leckereien befüllt.

Lektion gelernt, Dackel erfolgreich.

Der Teenager, der irgendwie (aber für ihn zunächst noch nicht greifbar) dennoch merkt, dass er offenbar ausgetrickst wurde, zieht sich irgendwann in seine eigenen, selbstbestimmten vier Wände zurück. Und schmilzt abends beim gemeinschaftlichen Fernsehen auf der ausreichend gemütlichen, schmalen Sofalehne des Dreier-Sofas dahin, wenn Motte, die mit ihren Kuscheldecken den restlichen Platz des Sitzmöbels sehr selbstverständlich einnimmt, ihm vertrauensvoll den Kopf auf das Bein legt und ihn, als vermeintlich anerkannten Herrscher über die Welt, aus dunklen, verschlafenen Augen um seine Zuneigung bittet (Übersetzung für Nicht-Dackel-Eltern: „Kraul mich. Bitte. Jetzt. Weil ich so süß bin. Schau mal in meine Augen. Und hör nicht auf – ohne dich kann ich doch nicht sein. Du bist mein Ein und Alles – direkt nach Frauchen. Ja, hier ist toll – schau mal, ich präsentiere dir meine Kehle. Dort juckt es. Ahhh. Du bist toll.“).

Manchmal wird dem erziehungsbedürftigen Kind sogar Platz auf dem begehrten Sitzmöbel eingeräumt.

Der heranwachsende Dosenöffner nimmt diese liebevolle Aufforderung natürlich sofort und ohne Zögern an. Und legt unbewusst den Grundstein zu einer weiteren Erziehungseinheit des Dackels. Aber die folgt erst am nächsten Tag. Dackel sind geduldig und bestellen ihr Feld sorgfältig, bevor sie die Ernte erwarten.

Ich bin selber (vor Motte) von zwei Dackeln erzogen worden. Rückblickend, mit meiner heutigen Lebenserfahrung und geprägt von meinem Alter und vom „Mutter-sein“, erkenne ich viele (mir mühsam angelesene oder erlernte) Erziehungsmaßnahmen unserer vierbeinigen besten Freundin wieder. Oft nicke ich anerkennend und respektiere, dass ich selbst es nicht besser hätte machen können.

Aber natürlich erzieht dieser Dackel auch mich noch. Zum Teil sehr erfolgreich, muss ich errötend zugeben.

Über diese Motten-Erziehungserfolge berichte ich aber an anderer Stelle. Aus erziehungstechnischen Gründen ist dies an dieser Stelle nicht zielführend. Die Jugend liest mit. Und ich fürchte, sie könnte lernen.

Dackel nehmen keinerlei Rücksicht auf das menschliche Alter und den vom Menschen gewünschten, weil gewohnten und erwarteten, Respekt. Dackel legen auch keinen Wert auf menschlich geprägte Rangordnungen. Sie entwerfen ihre eigene Weltordnung – und die hat natürlich immer einen denkenden und im Grunde allen überlegenen Dackel an der Spitze.

 

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