Gespräch mit der Tierphysiotherapeutin Claudia Weigert zum Thema: Bandscheibenvorfall bei Hunden

Vermutlich ist es nur meine eigene, subjektive Wahrnehmung: Ich habe, seit Motte´s Bandscheibenvorfall vor mittlerweile gut 1 ½ Jahren, das Gefühl, um mich herum zur Zeit von so vielen Hunden mit Wirbelsäulenproblemen zu hören… Oft erkenne ich mich in den vielen Fragen und Unsicherheiten wieder.
Ich weiß, das ist „normal“ – und liegt natürlich in meiner eigenen, offeneren, erweiterten Wahrnehmung begründet.

Als ich mich damals von meinem Mann trennte, hörte ich auch „plötzlich“ von ganz vielen Menschen in meiner engen Umgebung, die ähnliches erlebten oder aktuell ähnliche Probleme hatten. Der Mensch neigt offenbar dazu, glückliche Momente mit Scheuklappen zu genießen und sich der Wahrnehmung der Probleme der Außenwelt zu verschließen.

Seit über 35 Jahren gehören Dackel zu meinem Leben dazu. Das Damoklesschwert der rassebedingten Krankheiten schwebte immer über mir, wurde aber immer erfolgreich verdrängt – es betraf meine Hunde ja nie – und das, obwohl wir in unserer Hundehaltung sicher viele Fehler machten.

Nun hat es meinen Dackeln getroffen – und ich war zunächst in Hilflosigkeit gelähmt (was für ein erschreckendes Wortspiel in diesem Zusammenhang).

Ich schreibe in diesem Blog über Motte´s starken Lebenswillen. Sie hat es geschafft, sich in ein hundewürdiges, schmerzfreies Leben zurück zu kämpfen. Vielleicht hätte ich, wenn ich schneller, richtiger, treffender reagiert hätte, ihr einen Teil dieses Kampfes ersparen können. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Mir ist es nach meiner späten Erkenntnis wichtig, das Dackelpersonal (und auch die Halter aller anderen Hunderassen!) zu sensibilisieren.

Auch (Tier-) Ärzte sind nur Menschen. Ich mache hier niemandem einen Vorwurf. Das ist mir ganz wichtig. Der Dosenöffner (oder Tütenzerschneider oder auch einfach Futterbereitsteller) eines Hundes kennt seinen Pappenheimer und dessen eigene Sprache viel genauer, als es ein Tierarzt bei einer akuten Untersuchung leisten kann. Menschen, die mehrere Tiere besitzen, werden es bestätigen: auch Tiere derselben Gattung „Hund“ besitzen und nutzen völlig unterschiedliche Verständigungsmöglichkeiten mit dem Menschen und haben ein – in diesem Fall: leider – unterschiedlich ausgeprägtes Schmerzempfinden.

Ich selbst sah mich, plötzlich und uninformiert, mit vielen Fragen konfrontiert, die ich auf die Schnelle nicht beantworten konnte und habe selbst in Folge dessen vermutlich einige Fehler gemacht.

Viele Menschen lesen meinen Blog und meine Gedanken zum Dackel. Ich habe daher eine Tierphysio-Therapeutin gebeten, mir einige (bewusst allgemeine) Fragen zu beantworten, um vielleicht dem ein oder anderen Hund diese, in der menschlicher Unsicherheit begründeten Fehler, zu ersparen.

Dieses Gespräch erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch, ersetzt natürlich keinen Tierarzt-Besuch und soll lediglich zu einer allgemein gehaltenen Information beitragen!

Vielen Dank an Claudia Weigert (http://www.physio-hund-pferd.de), die sich für meine Fragen unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat!

Liebe Claudia, wer bist du, stell dich doch bitte kurz vor. Wie lange, wo und vor allem warum bist du Tierphysiotherapeutin?

Ich bin 48 Jahre jung, wohne und praktiziere in Chemnitz ( Sachsen ). Seit sieben Jahren bin ich Physiotherapeutin und Akupunkteurin für Hund und Pferd, war vorher schon über 20 Jahre Krankenschwester (für Menschen).

Meine Motivation zu meiner Ausbildung war 2002 eine Lähmung meines eigenen Hundes (ein Mops, durch einen Unfall bedingt). Damals waren leider viele Behandlungsmöglichkeiten noch nicht so bekannt und er verbrachte den Rest seines Hundelebens in einem Rolli.
Es hat dann noch ein paar Jahre gedauert, bis ich das richtige Berufsfeld für mich gefunden hatte. Es sollte unbedingt mit Tieren zu tun haben, aber im medizinischen Bereich wollte ich gern bleiben.

Da wir schon seit vielen Jahren Mehrhundehalter sind, war es einfach mein größter Wunsch, auch beruflich meine Zeit mit Tieren zu verbringen und effektiv zur Gesundheit dieser mit beizutragen.
Wir hatten zwei Dackelchen in unserem Rudel, beide von einem Züchter. Unsere Trixi ist im vergangenen Jahr mit 15 Jahren über die Regenbogenbrücke gegangen, unsere Dabsy mit 16 Jahren im Januar 2015. Seit drei Wochen wohnt wieder eine Dackeline, 2 Jahre, bei uns.

Zur Zeit gehören also zu unserer Hundebande: ein Deutsch Kurzhaar, 13 Jahre, drei Beaglemädchen, 11, 8 und 7 Jahre, eine Retriever-Hündin, dreibeinig, sieben Jahre, eine rumänische Mischlingshündin, 6 Jahre und nun wieder unsere Dackeline Wilma. Alles Tierschutzhunde.

Die achtjährige Beaglehündin war eine ehemalige Patientin von mir. Sie hatte einen schweren Bandscheibenvorfall (BSV) im Alter von vier Jahren. Hinterbeine gelähmt, Blase und Darm konnte sie nicht kontrollieren. Die Besitzer dachten leider, dass nach der OP und 2-3 x Physio alles wieder gut ist. Da dies nicht so war, sollte sie eingeschläfert werden. Das konnte und wollte ich nicht zulassen, da ich überzeugt war, sie wieder zum laufen zu bringen. Also nahm ich sie in mein Rudel und habe sie dadurch täglich behandeln können. Sie läuft wieder fast wie ein gesunder Hund. Die Blase kann sie steuern, aber es muss eben sehr schnell gehen, wenn sie anzeigt.

Du siehst also, ich habe auch einen Hund mit BSV; zwar keinen Dackel, aber es kann eben grundsätzlich alle Rassen treffen.

Deshalb achte ich bei all meinen Hunden darauf, gewisse Dinge zu vermeiden, die das begünstigen könnten. Natürlich springen auch meine Hunde mal von der Trockenmauer, aber zu 90% achte ich darauf, dass sie es nicht tun. Sie können rennen, toben, spielen, so wie sie es gern möchten – aber ich greife ein, wenn es zu übermütig wird. Und bis jetzt gibt mir es ein gutes Gefühl, alles einigermaßen richtig zu machen, denn bei meinen Hunden, egal wie alt sie sind ( gerade auch bei meinen Dackelchen), habe ich bis jetzt einen verhaltens- oder „bauart“-bedingten BSV vermeiden können.

Vielleicht ist es auch nur Glück.

Damit möchte ich jedoch nicht ausdrücken, dass die Besitzer an der Erkrankung schuld sind. Bitte nicht falsch verstehen. Die Sorge, dass meine Hunde einen BSV erleiden könnten, ist trotzdem immer präsent.

Kurz zur Definition. Ich werde oft gefragt, ob Motte Dackellähme hat. Ich betone dann, dass sie einen Bandscheibenvorfall hatte. Bezeichnen die Begriffe ein und dasselbe? Gibt es einen Unterschied? Ist es überhaupt wichtig oder ist Dackellähme einfach nur ein veralteter Begriff für eine Krankheit, die viele Hunde treffen kann?

„Dackellähme“ ist ein Bandscheibenvorfall.

Früher wurde das Krankheitsbild so genannt, weil es fast ausschließlich Hunderassen mit langen Rücken und kurzen Beinen betraf (oft eben den Dackel).

Es gibt keinen Unterschied, was den Begriff und dessen Definition angeht. Aus meiner Praxiserfahrung heraus kann ich sagen, dass bei den kurzbeinigen Rassen der Bandscheibenvorfall meist im jüngeren Alter, zwischen 4-6 Jahren auftritt. Bei anderen Rassen eher ab 10 Jahren aufwärts.

Bei der Behandlung (nicht nur eines tierischen) Bandscheibenvorfalls zählt vor allem eines: die Behandlung muss schnell begonnen werden. Die tierischen Symptome wie Schmerzen („Schmerzschreie“) beim Hochheben, mangelnde Lauffreude oder Schwierigkeiten beim Kotabsatz kann man durch eine Suche im Internet leicht und schnell finden (wenn man weiß, wonach man suchen muss). Kommt es aus deiner Erfahrung mit den Hunden in deiner Praxis vor, dass zunächst (vom Besitzer oder Tierarzt) wegen einer eventuellen, in eine falsche Richtung gehenden Diagnose wertvolle Zeit verloren wurde?

Ein BSV geht immer einher mit Schmerzen und einem Verlust der Bewegungsfreude. Es gibt verschiedene Schweregrade eines Bandscheibenvorfalls. Nachfolgend einige typische Krankheitsbilder ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • die Hunde möchten meist nicht mehr springen und toben, das Anfassen im Rückenbereich ist ihnen sehr unangenehm;
  • der Rücken ist häufig aufgewölbt;
  • Kotabsatz ist manchmal nicht mehr möglich. Hier ist die Verwechselungsgefahr zu „einfachen“ Darmgeschichten relativ hoch;
  • ist es noch kein vollständiger BSV, zeigt sich ein Rückenproblem sehr oft in der Lahmheit einer Gliedmaße;
  • der Rücken an sich ist in der Muskulatur extrem angespannt/verspannt.

Der Pfoten-Stellreflex:

  • Der Test auf den Pfotenstellreflex kann auch vom Besitzer durchgeführt werden: die Pfote wird dabei im Stand auf den Pfotenrücken gestellt, bei gesunden Hunden nehmen diese sofort wieder die Normalstellung ein;
  • sind schon Nerven betroffen, bleiben sie darauf (auf dem Pfotenrücken) stehen. Das erfordert sofortige Handlung und Abklärung durch einen Tierarzt.

Leider kommt es (nach meinen Erfahrungen) durchaus nicht sehr selten vor, dass der Haustierarzt die Symptome falsch deutet und eine Woche bis 14 Tage ins Land gehen, ehe der Tierbesitzer in eine Klinik fährt. Dies ist leider wertvolle Zeit, die auch nach einer OP die Prognose auf vollständige Wiederherstellung verschlechtern. Je schneller kompetente Hilfe einsetzt, umso erfolgreicher das Ergebnis für den Hund.

Grundsätzlich ist es so, dass ich, wenn sofort ein Fachtierarzt aufgesucht wird, gute Erfahrungen mit den Heilungs- und Wiederherstellungschancen habe.

Kommen viele Dackel mit einem Bandscheibenvorfall zu dir? Sind auch andere Hunderassen betroffen? Welche? Worauf sollte „man“ achten, wenn man sich für einen Welpen beim Züchter interessiert?

In meiner Praxis behandele ich vorwiegend große Rassen (Retriever, Deutsche Dogge, Dalmatiner, Rhodesian Ridgeback, Bracke, Husky, häufig Beagle, französische Bulldogge) und auch Dackel – jedoch nehmen diese bei mir nicht den überwiegenden Teil ein, was vielleicht daran liegt, dass es bei uns in der Region nicht so viele Liebhaber dieser Rasse gibt.

Leider haben die Dackel von Haus aus eine ungünstige Anatomie, diese fördert einen frühzeitigen Verschleiß und Abrieb, dadurch wiederum verkalkt der Bewegungsapparat früher und wird steifer.

Spondylosen begünstigen ebenfalls einen BSV, da sich die Wirbelsäule durch die knöchernen Zuwächse verändert und sich dadurch die Bandscheiben verschieben können.

Ich persönlich würde bei der Auswahl eines Welpens bei einem Züchter auf eventuell bekannte Vorerkrankungen der Elterntiere achten bzw. abfragen, wie es in der Zuchtlinie mit dieser Erkrankung speziell aussieht; aber das ist trotzdem natürlich kein Garant für den eigenen Hund.

Dackel haben einen (rassetypischen und von den Anhängern dieser Rasse geliebten) langen Rücken. Aber auch hier gibt es individuelle Unterschiede. Motte z.B. hat einen, selbst für einen Dackel, sehr langen Rücken. Sie ist darüberhinaus ein sehr schlanker, fast schon als „sehning“ zu bezeichnender Hund, der vor dem BSV gerade im Rücken- und Hinterbeinbereich immer sehr gut bemuskelt war. Sie war (und ist) quirlig und und aktiv. Ich wähnte mich wegen ihres geringen Gewichts und der vielen Muskeln deshalb relativ sicher.

Wie sind oder waren die (rasseübergreifend) Hunde, die du nach einem BSV behandelst (aus deiner, rein subjektiven Erfahrung und ohne jeden wissenschaftlichen Anspruch)? Trainiert, aktiv, muskulös, eher ruhige Zeitgenossen, übergewichtig? Gibt es überhaupt „Gemeinsamkeiten“, aus denen ein Hundehalter ein Gefährdungspotential ableiten könnte?

Also die jüngeren Hunde, die ich nach einem  BSV behandelt habe, waren eher hyperaktiv, muskulös und nicht übergewichtig. Die älteren haben es teilweise nach einer Vorerkrankung z. B. Kreuzbandriss und dadurch als Folge durch Fehlbelastung und wenig Muskulatur bekommen.

Eine Operation ist teuer und auch (je nach Stärkegrad des BSV´s) nicht immer unbedingt erforderlich. Ich selbst kenne Hunde, die nach einem BSV konservativ behandelt wurden und denen die Erkrankung heute kaum noch anzusehen ist. Die Entscheidung über die nötige Behandlungsweise muss der Tierarzt (oder die Klinik) treffen – die endgültige Zustimmung trifft der Mensch (für seinen Hund). Ich selbst war, ehrlich gesagt, damit ziemlich überfordert. Ich wollte das Beste für meinen Hund – konnte aber die medizinischen Folgen natürlich mangels tiermedizinischen Wissens nur sehr schwer einschätzen.
Wie hoch ist in deiner Praxis der jeweilige ungefähre Anteil von Hunden, die an der Bandscheibe operiert oder konservativ behandelt wurden?

Die tierischen Patienten in meiner Praxis mit einem BSV wurden zu 90% operiert, zu 10% konservativ behandelt. Tatsächlich muss ich hier bei meinen Patienten sagen, dass das Ergebnis der Behandlung von dem sofortigen Erkennen des Problems und der anschließenden Therapie abhängt (unabhängig von der angewandten Methode).

Die meisten Menschen beginnen nach einer ernsten Erkrankung eine Reha. Beim Hund liegt die Entscheidung ob, wann und wie lange eine Physiotherapie durchgeführt wird, in den Händen des Besitzers. Wann sollte eine Therapie beginnen? Wie lange und wie oft?

Beginn der Therapie nach einer OP nach dem Fädenziehen, das kann ein optimales Ergebnis auch nach einer Komplettlähmung sichern.

Leider hatte ich auch schon Hunde-Besitzer, die erst nach einem Jahr zu mir gekommen sind, weil eben immer noch die Lähmung besteht; da wird es dann schwer, ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Ich hatte auch schon einige konservativ behandelte BSV mit Lähmungserscheinungen, auch diese konnten nach meiner Therapie wieder laufen. Einschränkungen, was die Schönheit des Laufbildes betrifft, können immer bleiben.

Ein tierischer Patient ist erst nach drei Jahren bestehender Lähmung zu mir gekommen, diesem konnte ich dann leider nicht wieder auf die Beine helfen.

Fazit des Ganzen ist einfach: je früher die Ursache erkannt und eine Therapie eingeleitet wird, umso besser kann das Ergebnis sein!

Wie lange und wie oft sollte eine Therapie stattfinden? Was machst du mit den Hunden? Wie sieht eine Therapiestunde aus? Welche verschiedenen Therapiemethoden zur Behandlung von bandscheibengeschädigten Hunden wendest du an? Hast du Erfahrungswerte mit z.B. Magnetfeld- oder Elektrotherapie?

Ich beginne prinzipiell die Therapie nach Absprache mit dem jeweiligen Tierarzt oder der Klinik, der bzw. die operiert hat; in der Regel nach dem Fädenziehen nach einer OP.

Ich bevorzuge die Elektrotherapie und Lasertherapie am Anfang, um die geschädigten Nerven wieder zu aktivieren. Je nach Zustand und Grad der Lähmung beginne ich dann mit Übungen wie Stehen und isometrischen Übungen zur Körperwahrnehmung; diese muss der Besitzer auch als Hausaufgaben erledigen. Sobald zu erkennen ist, dass Laufschritte versucht werden, setze ich das Unterwasserlaufband ein.

Außerdem kommen Stangenarbeit und Balanceübungen auf verschiedenen Geräten zum Einsatz. Nicht zu vergessen sind auf jeden Fall die entspannenden Massagen für die überlasteten Strukturen.

Je nach Schweregrad empfehle ich die Therapie mindestens 2-3x pro Woche.

Ich muss und werde immer individuell entscheiden, auf welche Methode der Hund am besten anspricht und diese dann intensivieren.

Auch eine Magnetfeldtherapie finde ich persönlich sehr gut und gebe diese bei Bedarf den Besitzern mit nach Hause, da diese Therapie ja täglich gemacht werden sollte.

Wie stehst du zu Akupunktur? Du hast auf deiner Homepage einen (in meinen Augen) sehr klugen Satz stehen: „Akupunktur heilt, was gestört ist – jedoch nicht, was zerstört ist.“

Akupunktur kann zusätzlich mit angewandt werden zur Unterstützung, wird jedoch als alleinige Therapie bei Lähmung keinen Erfolg bringen. Ich wende es nur in Kombination mit anderen Therapien an.

Sie hilft dabei, den Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen, denn jede Art von Krankheit setzt ihn ins Ungleichgewicht. Aber als Einzeltherapie würde ich es nicht bei Lähmung anwenden.

Ich habe persönlich auch die Erfahrung gemacht, dass Besitzer über drei Monate in einer Klinik ausschließlich Akupunktur haben machen lassen und im Anschluss trotzdem mit ihrem gelähmten Hund zu mir gekommen sind, weil es (alleine) gar nichts gebracht hat. Vielleicht haben andere Menschen andere Erfahrungen gemacht.

Die Person, die mich die Kunst der Akupunktur gelehrt hat, hatte einen Chinesen als Lehrmeister. Daher auch der Satz, dass Akupunktur nichts heilen kann, was zerstört ist.

Oft ist die Wahl der Physiotherapiepraxis nicht einfach, da für einen Laien die Qualität der Arbeit schwer einzuschätzen, der Bedarf oft akut ist und das Angebot an Therapeuten stetig steigt. Außerdem soll die Behandlung ja schnell einsetzen.
Da Motte nach der OP im hinteren Bereich noch komplett gelähmt war, bekam sie (nach dem Fädenziehen) in erster Linie Massagen und Elektrotherapie, was ihr definitiv gefiel und sehr gut tat. Auf das Wasserlaufband durfte sie nicht, da sie inkontinent war (und auch leider nach wie vor ist). Hast du Empfehlungen, worauf der Hundebesitzer bei der Auswahl der Praxis achten sollte?

Was für mich persönlich wichtig wäre, ist eine gute Ausbildung (leider denken manche – auch durchaus motivierte Menschen) nach wie vor, man habe es nach einem 14tägigen Seminar drauf.

Tierärzte können Referenzen geben, da Physiotherapeuten ja in der Regel mit diesen zusammenarbeiten. Weitere, für mich wichtige persönliche Merkmale sind eine ordentlich ausgestattete Praxis, ein unverbindliches Kennenlernen durch einen Erstbesuch, die Sympathie Hund – Therapeut und natürlich die eigene Menschenkenntnis – kurz: ein gutes Gefühl, wenn man die Praxis wieder verlässt.

Bei mir werden Erstuntersuchungen in einem Wartezeitraum von einer Woche erledigt, Lähmungen werden bevorzugt behandelt: da geht es eben auch manchmal abends noch länger: der Hund ist wichtig!

Für inkontinente Hunde gibt es Schwimmwindeln! Wie für Babys zum Babyschwimmen: diese lassen nichts raus, was das Wasser verunreinigen könnte. Dies ist für mich kein Hinderungsgrund für eine in meinen Augen sinnvolle und notwendige Laufbandtherapie.

Eine Operation ist sehr teuer. Die anschließende Physiotherapie ist wichtig, kostet aber leider auch wieder (viel) Geld. Kann ich auch „nur“ zu Hause mit meinem Handicap-Hund trainieren?

Da muss ich leider sagen: die ersten Behandlungen sollten irgendwie finanziell möglich gemacht werden, damit zumindest ein Anfang gemacht ist. Dann mit dem jeweiligen Therapeuten weiter den Ablauf abstimmen und Übungen für zu Hause zeigen lassen. Man kann oft auch Sonderkonditionen vereinbaren.

Ich zumindest helfe auch denen, die in Not sind, natürlich muss es allerdings im Rahmen bleiben.

Wie kann man in „Heimarbeit“ Muskeln wieder aufbauen? Macht es in deinen Augen Sinn, den Hund durch zeitweisen Verzicht auf Hilfsmittel selber „trainieren“ zu lassen? Oder belastet das in deiner Einschätzung die Wirbelsäule zusätzlich?

Für den Muskelaufbau zu Hause sollte ein Plan vom jeweiligen Therapeuten erstellt werden, da auch das individuell auf den Hund abgestimmt sein muss.

Ich bin grundsätzlich auch für das Weglassen der Hilfsmittel, allerdings ebenfalls je nach Laufbild des Hundes.

Sehr gut für das Training eines gehandicapten Hundes eignet sich meiner Meinung nach Sandboden, da dort auch die Balance geschult wird. Sollte natürlich der Hund ständig nach rechts oder links fallen, sollte der Besitzer ihn schon im Gang (durch Hilfsmittel) stabilisieren.

Was kann das Personal eines Hundes (und hier vor allem der Dackelbesitzer – denn um die Krummbeiner geht es ja hier in erster Linie!) tun, um das Risiko eines Bandscheibenvorfalls so gering wie möglich halten?

Hierzu habe ich meine eigenen Richtlinien, vor allem den Erfahrungen aus den Berichten meiner Hundebesitzer entnommen, wie es zu dem einen oder anderen Vorfall gekommen ist:

  •    Springen vermeiden;
  •    Treppen steigen vermeiden;
  •    für mich persönlich gehört vor allem ein Dackel nicht ans Fahrrad;
  •    sportliche Aktivitäten erst, wenn der Hund vorher mindestens eine 15minütige Aufwärmphase hatte;
  •    Zerrspiele sind zwar beliebt, aber nicht optimal für die lange Dackel-Wirbelsäule;
  •    Aufrecht stehen liegt ebenfalls nicht in der Natur des Hundes. Viele finden es ja süß, aber dafür ist gerade die Anatomie eines Hundes nicht gemacht.


Viele Hundehalter vertrauen neben der schulmedizinischen Behandlung und der anschließenden Physiotherapie auf Tierheilpraktiker. „Wundermittel“ gibt es vermutlich keine. Oder?

Tierheilpraktiker können eine sinnvolle Ergänzung zur gesamten Therapie darstellen. Auch ich arbeite mit einer THP gut zusammen. Es sind oft eine Vielzahl verschiedener Methoden, die zu einem Erfolg für den Hund führen können. Ein schmerzfreies, hundegerechtes Dasein ist das Ziel. Die Wege sind verschieden und individuell für jeden Hund anders.

Es gibt heute (zum Glück!) viele Hilfsmittel, um einem gehandicapten Hund ein nahezu normales Hundeleben zu ermöglichen. Welche in deinen Augen sinnvollen Hilfsmittel sind das?

Je nach Handicap sollte für den Hund das Passende gesucht werden: ein Rolli für Lähmungen, Orthesen oder Bandagen für überlastete und instabile Gelenke oder z.B. auch orthopädische Betten für arthrosegeplagte Hunde. Das Angebot ist da und kann über eine einfache Suche im Internet oder Empfehlungen durch Tierarzt/Klinik gefunden werden.

Thema Inkontinenz: Mein Tierarzt hat mir erklärt: Inkontinenzen, die durch eine Sterilisation oder Kastration hervorgerufen werden, haben etwas mit einer Schwäche des Blasenmuskels zu tun. Beim durch einen Bandscheibenvorfall gehandicapten Hund fehlt hingegen die Fähigkeit, den Blasenmuskel bewusst zu entspannen, um die Blase bewusst vollständig zu leeren. Oft verlieren die Hunde hier erst den Urin, wenn die Blase gefüllt ist („überlaufen“). Hast du Erfahrungen, Tipps oder Übungen, wie du die bewusste Entleerung trainieren kannst? Gibt es so etwas überhaupt?

Dafür habe ich leider kein Patentrezept. Bei meinen Patienten hatten viele bedingt durch den BSV eine Inkontinenz, zu 80% hat es sich wieder stabilisiert.

Hundewindeln gibt es ja verschiedene, da habe ich keinen Favoriten. Kommt auch hier auf das Individuum an.

Gibt es Tier-Krankenversicherungen, die die Behandlung beim Tierphysiotherapeuten abdecken? Falls ja, kann jeder Physio darüber abrechnen oder gibt es spezielle Voraussetzungen (bestimmte Ausbildung, Verbandszugehörigkeit o.ä.)?

Es gibt meines Wissens nach Tier-OP-Versicherungen, die die Physiotherapie auch zu 100% übernehmen. Oft muss der Tierarzt ein kurzes Schreiben aufsetzen, warum und dass die Physiotherapie erforderlich ist.
Ich verweise hier auf die Vertriebsorganisationen bekannter Versicherer oder auf spezialisierte Makler und möchte keine Gesellschaft explizit nennen.

Vielen Dank, dass du dich für dieses Gespräch zur Verfügung gestellt hast! Für dich, deine Patienten und natürlich auch für deine Hundeherde weiterhin alles Gute!

 

5 Antworten auf „Gespräch mit der Tierphysiotherapeutin Claudia Weigert zum Thema: Bandscheibenvorfall bei Hunden“

  1. Liebe Anette, danke für deinen Artikel,mein Dackel Emma hatte eine 2. BSV OP vor kurzem, gestern im Gespräch mit der P-therapeutin wurde klar es fehlt Aufklärung

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