Der Jagd-Dackel

Für viele Dackelhalter ein schwieriges Thema. Dackel sind selbstständiges Denken und Entscheidungsfreude gewöhnt. Natürlich nicht nur einfach so: es ist das Ergebnis von jahrelanger, züchterischer Verfeinerung einer zweckbestimmten Hunderasse. Ein menschlicher Dackelfreund ist ja auch stolz auf die eigenbestimmte Charakterstärke seines vierbeinigen Begleiters.  Meistens. 

Manchmal auch nicht. Wenn das kluge, sich seiner selbst sehr bewusste Krummbein mal wieder entscheidet, eine Zeitlang ohne den lästigen, spaßbremsenden Menschen an seiner Seite den wirklich wichtigen Dingen des Dackellebens zu frönen – spätestens dann wünscht sich der Mensch einen (manchmal einfach nur willenlosen) Befehlsempfänger an seiner Seite.

Diese Situationen kommen nicht oft vor – aber nahezu jeder, der in seinem Leben einmal mit einem Dackel (oder auch einer anderen Jagdhundrasse) zu tun hatte, kann Geschichten von in Parks, im Wald oder auf Feldern offenbar sinnlos herumstehenden, einsamen und vor allem hundelosen Menschen erzählen – während der vierbeinige, eigentlich dazugehörige Freund auf selbstbestimmten vier Beinen auf der Jagd nach wesentlich spannenderen Dingen ist.

Jagd und Dackel – zwei Begriffe, die zu einem verschmelzen. Zur Jagd gezüchtet, wäre es ja auch schlimm, wenn es anders wäre. Für den nicht-waidmännischen Dackel-Beherberger oft ein behandlungswürdiges Problem. Der Begriff Problem ist natürlich menschen-kreiert. Denn eigentlich stellt der Jagdtrieb des Dackels nur eine der vielen Facetten des vierbeinigen Freundes dar – wenn auch vielleicht eine der dominantesten.
Ein Dackel ist oft ein Kuschelwunder – aber seine eigentliche Bestimmung ist eine andere. Ein Problem, das Hundetrainer kennen und entsprechende Auslastung und vor allem Konsequenz in der Erziehung des Hundes empfehlen.

So einfach ist Hundeerziehung.

Wenn man (als durchschnittlich intelligenter Mensch) sich vor Augen führt, dass ein Dackel (wie jeder Hund) trotz aller gutgemeinten Vermenschlichung nach wie vor ein instinktgesteuertes Tier ist, ist der Grundstein für ein glückliches, langes gemeinsames Leben bereits gelegt.    

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: viele Trainer-Empfehlungen sind toll und erscheinen (mir) durchaus sinnvoll. Sie beginnen und enden alle mit Konsequenz. Für mich als Dackelblick-Opfer und Normal-Spazierengeher nicht immer umzusetzen. Gerade bei der Konsequenz habe ich bekanntlich so meine Schwierigkeiten. Und disqualifiziere mich in Motte´s Augen damit (ungewollt) selbst. Dennoch bin ich der Meinung, dass alle meine Dackel in mir einen oft bemühten Menschen gefunden haben (der den gestellten Anforderungen allerdings nicht immer gerecht wurde). Ich habe aus meinen Fehlern gelernt (und werde sie dennoch wohl noch öfter wiederholen – und als Folge natürlich immer wieder von vorne beginnen müssen) – diesen Augen kann ich einfach nicht dauerhaft und streng widerstehen.

Motte muss meist an der Leine mit mir spazierengehen. Ein Grund ist natürlich der Mangel an (diesmal ihrer) Erziehung und daraus folgend ihre Einstellung zur Mitbestimmung der Dauer und des Weges des Spaziergangs. Gedanken zur Erziehung des Dackelhalters habe ich mir hier gemacht. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass sie ihren Rolli mittlerweile so selbstverständlich nutzt, dass sie ihn oft vergisst und sich in Situationen „befördert“, aus denen sie aus eigener Kraft nicht herauskommt.

Ausnahmen gibt es natürlich.

Wenn ich die Leine löse, ist sie augenblicklich mit voller Konzentration bei mir. Alle (anderen, in Mottenaugen völlig sinnlose weil spaßbefreite) Übungen mit Leckerchen hatten diesen Erfolg nicht (Dackel sind auf Leckerchen nicht angewiesen, siehe auch den Post zu meinen Gedanken zum Dackel an sich.) Es gibt für Motte nur eine Sache, für die sie ihre Lust auf eigenständige Umgebungserkundung (meistens) vergisst: sie weiß, nun packe ich ihren Ball aus und sie darf endlich flitzen (und den Ball jagen).

Mittlerweile wird sie vom Rolli ein wenig gebremst. Zum Glück. Auch in unserer ländlichen Wohngegend kreuzen viele Straßen – und ein noch so kleiner Dackel kann eine für den menschlichen Begleiter  überraschende Geschwindigkeit entwickeln. Und wirklich sicher kann sich ein Hundehalter generell nie sein. Wenn ein Dackel (oder generell jeder Hund) jagt, wird im Kopf ein Schalter umgelegt. Die Erkenntnis „da war noch irgendwas oder irgendwer…“ dringt oft erst viel später wieder ins aktive Dackeldenken vor. Bis dahin kann der kurzbeinige Freund schon eine überraschend große, erhebliche Strecke zurückgelegt haben.

Ich habe mit meinen Dackeln immer geübt, am Straßenrand anzuhalten. In dieser Extremsituation würde auch diese – eigentlich gut gelernte Aktion – aber völlig in Vergessenheit geraten. Der Hase hält ja auch nicht an – und eine Jagd ist Ernst, kein Spiel.

Um es ganz deutlich zu sagen: die Charakterstärke und Eigenständigkeit eines Dackels (manche nennen es auch abwertend Sturheit) ist der Wesenzug, der dem Dackel die meisten Likes einbringt.

Immer wieder überraschend ist für das menschliche Personal, wenn das eben noch so süße Spielzeug sich in eine zähnefletschende Bestie verwandelt.

Auch für mich, die ich mit jagdfremd gehaltenen Dackeln ja nun seit mittlerweile über 35 Jahren Erfahrungen sammeln durfte.

Eben noch mit dem kuscheligen Fellbündel mit den dunklen, sanftmütigen Augen auf dem Sofa gekuschelt. Die Kinder haben dem geliebten Plüschtier (dem eigentlich nur der Knopf im Ohr fehlt) an den weichen Ohren gezogen, die schleckende Zunge festgehalten und am Schwänzchen gezogen. Das Spielzeug, dem viele Kaninchen größentechnisch überlegen sind, hat sich hingebungsvoll auf den Rücken gerollt und sich grunzend kraulen lassen. Und dann gehen wir zur letzten Runde des Tages noch einmal zum Dackel-Lüften an die frische Luft.

Und plötzlich mutiert der eben noch so süße und knuddelige Dackel zur Jagdmaschine. Viele vom Dackel gejagten Tiere sind nacht- oder dämmerungsaktiv.

Mottes persönliche Liste umfasst (leider) mittlerweile einige erlegte Tiere. Trotz Leine und meiner erhöhten Aufmerksamkeit. Und selbstverständlich versage ich.

Ich bin eben kein Dackel.

Motte hat bereits einige Mäuse erlegt, die ich erst zur Kenntnis nahm, als ich durch die fiependen Geräusche aufmerksam wurde und den langen, panisch winkenden Mäuseschwanz aus dem vor fünf Minuten noch so zärtlichen Dackelmaul winken sah. Selbst mit Rolli hat sie schon wieder drei Mäuse erwischt.

Mottes für mich schlimmste Jagderfolge waren allerdings Igel. Dieser Dackel hat bereits zwei Igel auf dem Gewissen. Sie hat sie trotz aufgestellter Igelstacheln erst losgelassen, als ich wieder zu ihr durchdrang. Immerhin. Sie hat auf meinen Befehl hin die Beute freigegeben. Unwillig. Aber sie hat es getan.

Beim anschließenden Besuch beim Tierarzt konnte dieser für die Igel leider nichts mehr tun – Motte wurden jedesmal einige Stacheln aus dem Maul entfernt. Was sie mit dem unbefriedigten Gesichtsausdruck des zwar erfolgreichen, aber um die Beute betrogenen Jägers ohne Mucks über sich ergehen ließ (ebenso wie die anschließende Behandlung mit chemischen Mitteln gegen krabbelndes Kleingetier – Igel sind die reinsten Floh-Taxis).

Fünf Minuten später hatte ich wieder mein Kuscheltier in den Armen – alles war vergessen. Für den Hund. Mir wird dann jedesmal sehr bewusst, dass ich hier mit einem unerbittlichen Jäger auf dem Sofa liege. Und es wegen der treuen, unschuldigen Augen oft vergesse.

Auch ein (kleiner, süßer) Dackel ist ein Tier. Ein Jäger. Unerschrocken, selbstbewusst und instinktgesteuert. Der Kuschelfaktor lässt das oft vergessen.

Gerade unsere Motte ist leider ein (durch ihre erfolgreiche Beeinflussung und wegen diverser Ausreden unsererseits) relativ unerzogener Dackel.

Grundbegriffe kennt sie, befolgt sie auch meistens (nach ihrer persönlichen Einschätzung der Situation).
Einen Befehl kennt sie – und weiß, dass dieser von meiner Seite dann absolut ernst gemeint ist und auch keine Diskussion zulässt: „aus“. Auf diesen Lernerfolg bin ich sehr stolz. Er stellt den meiner Meinung nach wichtigsten Hundebefehl überhaupt dar. Wenn ich (als immerhin vom Dackel anerkannten Oberhaupt) diesen Befehl gebe, spuckt sie aus, was immer sie im Maul hat. Widerwillig, aber sie tut es. Problem ist hierbei, dass sie zwar gehorcht, aber vorher ja hineingebissen hat… Mein noch unerfüllter Traum: dass ich sie dazu bringe, diesen Befehl nicht mehr geben zu müssen, sondern vorher gefragt werde.
Wir haben ja noch viel Zeit. Und viel Überzeugungsarbeit (meinerseits) vor uns.

Zum Glück sind Dackel so intelligent. Ich brauche auch meine Herausforderungen.

Nebenbei: in diesem Blogpost gibt es keine Fotos – mag keine Bilder von erlegten Tieren posten. Und wenn Dackel stiften geht, habe ich andere Sorgen, als das Handy zu zücken. Nächstes Mal wieder.

 

4 Antworten auf „Der Jagd-Dackel“

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