Der Dackel an sich… Teil II

 Dackel aller Couleur leiden an ständiger Selbstüberschätzung. Wobei „leiden“ eigentlich der falsche Ausdruck ist. Dackel leben sie als Lebenseinstellung– leiden müssen alle anderen vermeintlichen Beteiligten. Schließlich wurde Teckeln mühsam angezüchtet, Entscheidungen über Wohl und Verderb (vor allem auf der Jagd) schnell und selbst zu treffen. Und wenn sie auf ihren Menschen aufpassen müssen, dann tun sie das. Er (der Mensch) demonstriert seine Unzulänglichkeit schließlich täglich, wenn der Dackel ihn an der Leine spazieren führt.

Noch mehr Gedanken zur Erziehung

Seinen Erfolg in der Jagd verdankt der Dackel seiner Intelligenz und seinen Mut. Heutzutage wird dieses Erbgut auf das tägliche Leben mit dem Menschen übertragen, denn viele Dackel gehen nicht mehr auf die menschengewollte Jagd. In städtischen Parks, auf ländlichen Feldern und in Naherholungsgebieten entscheiden die meisten Dackel selbst, wann, wen und wo sie jagen. Dem gemeinen Hundehalter ist es nicht gegeben, dieses Verhalten zu unterbinden – aber lenken und damit in für den Menschen ertragbare Bahnen umwandeln ist durchaus möglich.

„Lenken“ ist in diesem Zusammenhang als aktive Vokabel zu verstehen. Wie viele andere Hunderassen auch, braucht der Dackel Aktion. Und damit ist nicht das hektische Zurückziehen der Leine gemeint. Dies stellt eine lediglich Reaktion auf eine Bewegung des Hundes dar und ist als eine eher hilflose Geste des spazierengeführten Menschen zu werten.

Ein Dackel muss jagen. Glücklicherweise ist der sonst so selbstsichere Hund hier nicht immer wählerisch. Ob es sich um einen Hasen, einen Ball oder ein (geklautes) Küchenhandtuch handelt – der Erfolg ist entscheidend.

Auch bei Menschen ist dieses Verhalten gut zu beobachten. Ein Mensch observiert (in der Kneipe/Supermarkt/ Online-Dating-Plattform) die Umgebung, nimmt Witterung auf und verfolgt sein Ziel. Ein erster Jagderfolg stellt der Austausch der Handy-Nummer oder des Facebook- (alternativ auch: Twitter/Instagram/ Google+) Namens dar. Da die Beute aber noch lange nicht sicher erlegt ist, wird geschrieben, geskypet oder gewhatsappt. Erst, wenn der Mensch feststellt, dass die Beute auch nach längerem bekauen und benagen nicht wirklich schmeckt (oder auch, wenn es einen wirklich und definitiv ernstzunehmenden „AUS“-Befehl gibt) , wird locker gelassen. Ein entwickelter Wesenszug der Menschen, der seinen Ursprung – wie sollte es anders sein – bei den Dackeln hat. Denn die machen es seit Generationen nicht anders – und es ist sogar gewollt. Von den Züchtern.

Der Großstadtbewohner, der dem süßen, kleinen Dackel ab und zu einen Freilauf im Park gönnt, sieht das Ganze – für den aufmerksamen Leser nicht wirklich überraschend – etwas anders, nachdem er den geliebten Vierbeiner mehrere Stunden auf dessen Jagd durch Unterholz und an Teichufern verfolgt hat. Freiwillig zurück kommt der Dackel erst, wenn er erfolgreich war, selbst den Sinn und das Ziel seiner Jagd in Frage stellt oder die Beute nicht mehr attraktiv genug ist. Nebenbei sollte die Geschwindigkeit, die der Hund mit den kurzen Beinen erreichen kann, niemals unterschätzt werden.

Fazit: ein Dackel kann ein sehr treuer und zuverlässiger Weggefährte sein. Der Mensch darf seinen Hund nach geltender Auffassung diverser Hunde-Profis nicht vermenschlichen. Aber gerade beim Dackel ist eine gewisse Selbstreflexion durchaus angebracht – und das gilt für alle Dackel: egal ob, lang-, kurz- oder rauhaarig.

Ein „Blümchen-zähl-Spaziergang“ und anschließendes zehnminütiges Bällchenspiel im heimischen Wohnzimmer reichen zur Auslastung eines gesunden Dackels bei Weitem nicht aus. Oft schaut man in die fassungslosen Augen des Frauchens, wenn der Dackel anschließend – trotz der vermeintlichen Auslastung – in einem erstaunlich kurzen, unbeobachteten Moment den gepflegten Garten in einen zur Aussaat neuer Pflanzen bereiten Acker umgegraben hat.

Grundgehorsam muss („sollte“) auch jeder Dackel lernen. Hier stehen viele Dackel-Beherberger vor der ersten großen Herausforderung ihrer Hundehalter-Eigenschaft. Während andere Hunderassen die Folge: „Befehl – Ausführung – Leckerchen“ schnell, dauerhaft und nicht weiter hinterfragt verinnerlichen, versteht der krummbeinige Vierbeiniger zwar den Wunsch des Kommando-Gebers, prüft aber zunächst die Begleitumstände. Kommt der Dackel zu dem Schluss, dass in der Stimme des Kommando-Gebers ein leichtes Zögern, eine Unsicherheit oder eventuell vielleicht sogar eine Frage zu hören ist, wird der Hund zu dem Entschluss kommen, dass auf Leckerchen in dieser Situation verzichtet werden kann. Schließlich kann sich dackel dieses auch später noch abholen – wenn es in der Dackelwahrnehmung besser passt (siehe auch Der Dackel an sich Teil I).
Das Kommando „Sitz“ führt bei Dackeln oft lediglich zu einer kurzzeitigen Absenkung des hinteren Rückens. Der Mensch lernt schnell, dass dies offenbar die höchstmögliche in dieser Trainingsphase zu erreichende Sitzposition sein kann. Und füttert den braven Hund als „positive Verstärkung“. Der gute Wille war ja erkennbar. Beim gewünschten „Platz“ oder „Down“ wird der Dackel folgerichtig die vordere Körperhälfte ein wenig näher Richtung Boden bewegen. Selbstverständlich aber immer bereit für den Sprung nach dem Stück Wurst, dass ihm anschließend mit einiger Entfernung vor die Nase gehalten wird (für Menschen ist Bücken schließlich anstrengend – und es soll ja Hundetraining und nicht Menschengymnastik sein). Dackel lernen schnell, wie hoch die prozentuale Annäherung an den Boden für eine Belohnung der Mühen sein und wie lange diese Position gehalten werden muss. Diese Erkenntnis findet ungehinderten Zugang ins Dackelhirn und wird sofort verinnerlicht.

Und der schlaue Dackel erkennt: Menschenerziehung ist gar nicht so schwer.

Wenn der Dackel einmal das Grundprinzip der menschlichen Erziehung verstanden hat, wird es für den stolzen Zweibeiner schwierig, weitere vom Menschen gewünschte Bitten in den Dackelkopf zu implantieren.
Oft steigt dann der Frustrationslevel der menschlichen Hausherren: „Die anderen Kommandos hat der kleine Kerl doch so irre schnell gelernt…?“. Das Krummbein erkennt die menschlichen Nöte und bemüht sich, diese durch das gezielte Hinwerfen von Dackel-Leckerchen („zeitbegrenztes Gehorchen“) in menschen-annehmbare Bahnen zu leiten.
Dackel sind geborene Selbstversorger und auf erkaufte Leckerchen nicht angewiesen. Konsequenz ist in der Erziehung eines kleinen, süßen Dackels noch höher zu priorisieren als in der Kindererziehung. Bei entsprechender Auslastung der Instinkte durch Fährtensuch-, Buddel- oder Jagdspiele und konsequenter Rationierung außerplanmäßiger Leckereien ist der gelehrige Hund aber wohlwollend zeitweise bereit, den Bitten seines Herrchen (oder Frauchens) Folge zu leisten.
Viele Dackelhalter sind überrascht, wenn der Dackel ein unbedarft dahergesprochenes Kommando ausführt, das bisher gar nicht „trainiert“ wurde.

Die Überlegenheit des kleinen Dackels gegenüber größeren Herausforderungen 

Die kurzbeinigen Freunde sind der Meinung, dass bloße Höhe oder kilobasierte Massivität allein nicht ausschlaggebend ist, um eine eventuelle Unterlegenheit kampflos einzugestehen (schließlich werden sie durch den täglichen Kontakt mit den wesentlich längeren Menschen jeden Tag in ihrem Denken bestärkt).
Schon gar nicht, wenn es um den Dackelbespaßer am anderen Ende der Leine geht, der ohne denkenden Dackel offensichtlich nicht überlebensfähig wäre. Um die eigene Überlegenheit von vorneherein zu demonstrieren, werden mit Vorliebe die großen, für den angehängten Zweibeiner (vermutlich) angsteinflößenden Hunde (Postboten, Müllfahrzeuge, herabfallende Blätter etc.) bereits aus der Entfernung akustisch in ihre Grenzen verwiesen.
Die Kehle der meisten gutgläubigen Hunde ist für einen Dackel mit etwas Geschick sehr gut zu erreichen. Und selbstverständlich wird dieser Vorteil ausgenutzt. Die Beobachtung eines Dackels beim Spiel mit größeren Artgenossen ist hier sehr aufschlussreich. Scheinbar unterlegen wirft sich der arme, kleine Dackel auf den Rücken und demonstriert seine (vorgetäuschte) Ergebenheit. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit hat der größere, bis eben noch siegessichere Hund einen mehr oder weniger sanften Dackelzahnabdruck an der empfindlichen Kehle. Der Dackel verbucht diesen Punkt für sich und fordert den „Gegner“ natürlich sofort zur Revanche auf. Der Dackel möchte schließlich nicht (nur einfach) gewinnen, sondern auch seinen Spaß haben.
Foto: Andrea Methfessel

Und ist dabei sehr ausdauernd. Bei „Rennspielen“ dagegen ist ein Dackel auf längeren Strecken wegen der unverhältnismäßig kurzen Beine unterlegen. Daher ziehen Dackel es vor, in atemraubender Geschwindigkeit ihren Spielpartner durch Haken schlagen und flitzen auf engstem Raum schwindelig zu kreiseln. Für den menschlichen Halter ist es oft sehr amüsant, den verwirrten Blick des bespielten großen Hundes zu sehen: wenn die kleine Wurst, die eben noch im vorderen Blickfeld war, nun plötzlich in die verführerisch wedelnde Rute kneift. Dackel spielen sehr gerne – und werden genau den Moment abpassen, in dem der tierische Spielkamerad die Lust zu verlieren scheint. Dann wird das gleiche Schema angewandt, dasnatürlich auch beim menschlichen Spielpartner funktioniert: der „Gegner“ darf einen Sieg verbuchen. Das Ziel ist erreicht: der Partner findet wieder Spaß am Spiel. Und schon geht es weiter. Für den Dackel am liebsten endlos.

 Ein herausragendes Merkmal von Dackeln ist die Ausdauer.

Beim Menschen ist das für den bodennahen Hund ansprechendste Körperteil die Wade. In Hommage an den Dackel hat dieser Begriff in die deutsche Sprache als Ausdruck von Mut und Hartnäckigkeit (manche sprechen abschätzig auch von „Penetranz“) von eigentlich Unterlegenen Einzug gefunden – kein Dackel lässt ein einmal gefasstes Ziel nur aufgrund von zeitweiser Ablenkung wirklich wieder aus den Augen.

Aber auch beim wildesten Spiel verliert der Dackel nie sein Gegenüber aus den Augen. Die wildesten Kämpfchen mit dem (geliebten) Menschen enden mit einem „au!“ desselben. Der Mensch wird sofort auf eventuelle Verletzungen untersucht und durch ausgiebiges Schlecken und Schmusen in Verbindung mit hängenden Ohren und treublickenden Augen um Verzeihung gebeten. Dackel sind ehrlich. Sie lieben es, ihren Menschen zu manipulieren – aber werden andererseits auch alles tun, um ihr menschliches Rudel zu beschützen und zärtlich zu umsorgen. Versehentliche Knüffe, schmerzhaftes Ziehen an den langen, extrem weichen Ohren oder krampfhaftes Festhalten der Zunge von den unbeholfenen Händen der jüngsten Mitgliedern des Rudels (der Kinder) werden bis zur absoluten Schmerzgrenze toleriert. Selbst die anschließende Maßregelung erfolgt nach anderen Maßstäben als beim erwachsenen Futtergeber. Schließlich sind es (wenn auch menschliche) Welpen. Und ein Dackel ist erziehungstechnisch sehr streng, erstaunlich konsequent und unglaublich liebevoll (weitere Gedanken zur hundeunterstützten Kindererziehung findet Ihr hier: Kindererziehung .

Nach außen hin erkennt der Dackel die vom Menschen gewünschte Rangordnung an – der Hund ist letztes Glied der Kette. Intern gilt selbstverständlich die dackelbekannte (und menschenansichts-unabhängige) Hierarchie.
Intelligenzbedingt stellt der kluge Teckel diese allerdings zeitweise hinter seinen eigenen Vorstellungen zurück und weist den begleitenden Menschen – lediglich zurückhaltend, aber nachdrücklich – auf dessen eigentlichen Rang hin. Ein Dackel wird selbstverständlich auf Wunsch des Personals als letzter (um der Rangordnung zu entsprechen) durch die geöffnete Wohnungstür schreiten – um dann innerhalb von zwei Sekunden mit dem Lieblingsspielzeug einsatzbereit vor dem sich noch die Schuhe ausziehenden Mitbewohner zu stehen.

Dackel betteln nicht. Sie fordern.

Auch wenn ein Dackel auf ein Leckerchen verzichten kann, wenn die dafür zu erledigende Aufgabe nicht dem momentanen Gusto entspricht: die Nahrung der menschlichen Mitbewohner lernt der kleine Freund sehr schnell zu schätzen.

Unbedacht vom Tisch gefallene Teile der menschlichen Nahrung, die vom tierischen Staubsauger beseitigt werden, wecken schnell die Lust auf mehr. Dem kleinen Hund mit den hängenden Ohren, leicht schiefgelegtem Kopf und dem langen, intensiven, traurigen Blick eines fast-Verhungernden können nur wirklich hartgesottene Zeitgenossen dauerhaft widerstehen. Und ein einziges Nachgeben des essenden Menschen reicht aus, um diesen Lerninhalt sofort dauerhaft im Hirn des Dackels fest zu verankern. Im Folgenden wird lediglich noch die Taktik der Menschenbeschwörung verfeinert. Wenn sich herausstellt, dass ein Stück des verführerisch duftenden Steaks auf dem Menschenteller nicht allein durch Hypnose in die Dackelschnauze wandert, müssen neue Wege gefunden werden. Und hier sind Dackel – wie eigentlich immer – sehr kreativ und wandlungsfähig.

Natürlich verstehen sie, dass offensichtliches Betteln strenge Worte der Herrschaften zur Folge hat. Dann wird eben demonstrativ (sehr, sehr lange und stoisch) exakt zwei Zentimeter an dem Gewünschten vorbeigeschaut. Wenn auch dezente Hinweise durch Anstupsen nicht den gewünschten Erfolg bringen, wird alternativ der Ansprechpartner gewechselt – Kinder haben sich als leichte Opfer herausgestellt (vor allem, wenn es um Dinge geht, die sie selbst nicht mögen). Für das Oberhaupt der Familie, welches sich für die Erziehung des Dackels zuständig fühlt, oftmals ein Kampf gegen Windmühlen.

Foto: Andrea Methfessel

Zumal jede Zurechtweisung des vierbeinigen Freundes mit dem dann folgenden bereits beschriebenen, nahezu unwiderstehlichen Dackelblick sofort zu einem schlechten Gewissen des Strafenden führt. Und damit in der Konsequenz geradezu verpufft.

Im Umkehrschluss liegt hier übrigens auch einer der Gründe, weshalb Dackel nicht auf zugeteilte Kekse angewiesen sind. Es soll Menschen geben, die dieses Verhalten als hinterlistig, berechnend oder manipulativ bezeichnen. Ich denke, die Bezeichnung „clever“ trifft es eher.

Apropos Intelligenz:

Der Tierfachhandel bietet neben Quietsch- und Hartgummispielzeugen auch einige Intelligenzspiele für Hunde an.

Motte hat, da sie über einen längeren Zeitraum in ihrem Bewegungsspielraum sehr eingeschränkt war, ein paar dieser Spiele testen dürfen (sollen). Und bereits nach sehr kurzer Zeit gähnend links liegen lassen. Innerhalb weniger Minuten bekam sie heraus, wo sich Leckerchen befinden, wie man sie erhält – und vor allem: ob sich die Mühe lohnt.

Dackel müssen keine Leckerchen haben. Und schon gar nicht die gleichen wie bereits am Vortag. Das System war erkannt – der Ehrgeiz befriedigt, für die dargebotenen Leckerchen die Mühe nicht noch einmal wert.

Das einzige Spielzeug, was auch heute noch einen hohen Rang in der Gunst unserer Motte einnimmt, ist der „Ball mit dem Loch“. Allerdings wird der Ball nicht mehr einfach nur gerollt, damit die Leckereien (langsam und dosiert) aus dem Inneren herausfallen. Die Öffnung des Balles wird statt dessen kunstvoll erweitert, um mit dem nun ganz hineinpassenden Unterkiefer die Kekse herauszuziehen. Selbstverständlich wird der Ball nicht komplett zerstört – sonst wäre ja der Spaß vorbei – und nebenbei kann der Ball natürlich auch noch zu wilden Apportier- und Jagdspielen genutzt werden, wenn er denn leer ist.

Über den Zeitpunkt des Spiels entscheidet der denkende Vierbeiner gerne selbst. Das favorisierte Spielzeug wird dem gewünschten Spielpartner so lange auf den Fuß oder in die Laufbahn geworfenbis eine Reaktion erfolgt. Ein „nein“  oder „jetzt nicht“ des Menschen wird hier vom Dackel übrigens oftmals als lediglich als unbedachte, nicht weiter beachtenswerte Lautäußerung wahrgenommen.

Dackel sind geborene Schauspieler.

Alle Fotos unterliegen dem Copyright der genannten Besitzer und dürfen nicht kopiert oder weiterverwendet werden! Alle Bilder ohne ausdrückliche Namensnennung by Anette Höhnke.

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